Uns fällt auf: Personen ohne Behinderung, die Bürgergeld beziehen, wird oft Arbeitsunwilligkeit unterstellt. Vielen Menschen mit Lernschwierigkeiten wird es schwer gemacht, das Rehabilitations-System zu verlassen.
Vanessa, Mutter von zwei Kindern: Recht machen kann man es niemandem!
Zu dem Zeitpunkt, als ich Bürgergeld bezogen habe, war ich alleinerziehend mit zwei Kindern. Ich hatte eine abgeschlossene Ausbildung und wurde in meiner zweiten Ausbildung schwanger.
Aber diese Hintergrundinformationen interessieren die Gesellschaft nicht. Es zählt lediglich die Information, dass man Bürgergeld bezieht. Wieso? Weshalb? Warum? Das ist irrelevant.
Die Vorurteile, denen ich begegnet bin, waren groß. Man bekommt einen Stempel aufgesetzt und wird direkt als faul und asozial oder Sozialschmarotzer beschimpft.
„Geh doch arbeiten!“, wird einem gesagt. Würde ich aber Vollzeit arbeiten gehen, würden die Leute bestimmt meckern, warum ich denn überhaupt Kinder habe, wenn ich sowieso nur arbeite. Recht machen kann man es niemandem.
Oft wurde behauptet, dass ich mir ein schönes Leben machen würde von dem Geld und dass mehr Kinder mehr Leistungen bedeuten. Es mit Bürgergeld ja ein Leichtes wäre, ein Kind groß zu ziehen.
Die Vorurteile sind meist immer dieselben und vor allem oft von Leuten, die selbst unzufrieden mit sich selbst sind. Hart arbeitende Menschen, die viel zu wenig in ihren Jobs verdienen, aber das ist nicht die Schuld der Bürgergeldempfänger.
Diese typischen Bürgergeldempfänger, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, sind nur ein kleiner Bruchteil von den Leuten, die wirklich auf diese Leistungen angewiesen sind.
Cornelia, Mutter von zwei Kindern: Von Ableismus erholt man sich nie wieder vollständig!
Das Mantra unserer Gesellschaft: Leistung lohnt sich (vor allem wirtschaftlich).
Mein Sohn hat sich in der Schule sehr angestrengt. Es war für die Schule jedoch einfacher, ihn keine Prüfungen machen zu lassen.
Er bekam also mit Verlassen der Schule keinen Nachweis, was er kann. So blieb nur die Reha durch das Arbeitsamt, die direkt in die Werkstatt mündete.
Da wollte er nicht hin.
Heute arbeitet er für ein StartUp und er kann sich dort nicht nur in den Bereichen Organisation, SocialMedia, Design und Kommunikation verwirklichen, er bekommt auch die nötige Ausbildung. Und er wird akzeptiert!
Man denkt „Wow, das wird doch sicher unterstützt!“ Die Wahrheit: Die Werkstatt verlangt Arbeitnehmerüberlassung i.H.v. monatlich 126 € und einen Solidaritätszuschlag von 15%. Weil mein Sohn keine für ihn unbefriedigende, nutzlose Arbeit in einer WfbM machen wollte, bekommt er nun also nicht den vollen Werkstattlohn. Leistung und Initiative lohnen sich finanziell also nicht.
Aber es gibt ja die Möglichkeit der Grundsicherung für Werkstattangehörige. Unser Amt für soziale Dienste hat sofort Streichpotential gefunden: die Ehrenamtspauschale eines Sportvereins für die Arbeit meines Sohnes als Übungsleiter. Anstrengung und Leistung lohnen sich also für ihn auch hier nicht.
Ableismus ist ein Schlag in die Magengrube, von dem man sich nicht wieder vollständig erholen kann.
Immer wieder besonders schmerzhaft ist für mich dieser Satz: „Sieh doch endlich mal die Realitäten“.
Stana und Stefan Schenck, stattWERKstatt:
Die meisten Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung arbeiten in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderung bereits im Übergang Schule-Beruf ihr Wunsch- und Wahlrecht ausüben können, sich also frei entscheiden dürfen, ob sie in eine WfbM gehen wollen oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten wollen. Junge Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen und Lehrkräfte benötigen Aufklärung und Empowerment, um die Rechte im Hinblick auf berufliche Teilhabe zu kennen und einfordern zu können.
Ausstellungs-Poster als barrierearmes PDF:
https://nonipt.de/wp-content/uploads/2024/11/Mit-zweierlei-Mass_Staatliche-Unterstuetzung.pdf