Uns fällt auf: Menschen mit Behinderung wird eine Elterneignung häufig pauschal abgesprochen. Gleichzeitig werden Menschen ohne Behinderung, die sich bewusst für ein Leben ohne Kinder entscheiden, oft kritisiert.
Vera Bläsing, BM 3X21 / #NoNIPT: Lasst uns dringend über diese Leerstelle sprechen!
Eigentlich sollte hier ein anderer Text stehen.
Nach wochenlangem Klinkenputzen ist die einzige verbleibende Leerstelle in unserer Ausstellung genau diese hier. Trotz vieler persönlicher Anfragen und einem öffentlichen Aufruf über unsere Instagram-
Story konnten wir sie nicht füllen. Es hagelte Absagen, meist mit der Begründung ‚keine Zeit‘.
Angefragt hatten wir 1.500 Zeichen inkl. Leerzeichen. Leute, das ist einmal laut ausatmen!
Eine interessiert wirkende Person ‚mit wenig Zeit‘ hatten wir um Freigabe gebeten, ihre an anderer Stelle getätigten Statements hier abdrucken zu dürfen. Wir wurden über Wochen geghostet. Auf Nachfrage kam dann eine Absage.
Manche waren wenigstens so ehrlich und haben abgesagt, weil sie bei einer öffentlichen Äußerung berufliche Nachteile befürchteten. Hier haben wir eine Veröffentlichung unter Pseudonym angeboten. Und wurden auch hier geghostet.
Uns wurde abgesagt, weil das Management abgeraten hat oder die Person persönlich nicht hinter unserem Anliegen „keine Kassenfinanzierung von NIPT“ steht.
Dass die meisten Pro-Choice Feminist*innen ungern über pränatale Tests sprechen, war uns schon vorher bewusst. Aber dass Aktivistinnen, die sich in anderen Kontexten zum Thema „kinderfrei“ äußern, sich hier nicht äußern wollen, zeigt uns, dass diese feministische Leerstelle größer ist, als wir bislang vermutet haben: Die pränatalen Tests scheinen nur die Spitze eines ableistischen Eisberges zu sein.
Silja, Mutter eines Kindes: Was? DU willst ein Kind kriegen?
Als ich schwanger war, habe ich mich zunächst gar nicht getraut, das anderen zu erzählen. Und hatte Sorge, wie zum Beispiel auf der Arbeit die Reaktionen sein könnten. Manche sind damals nicht so positiv damit umgegangen, einige haben gesagt: „Was? DU willst ein Kind kriegen?“.
Auch völlig Unbekannte auf der Straße haben sich negativ geäußert. Und wenn sie mich gemeinsam mit meinem Mann gesehen haben, haben manche gesagt: „Wie kann ein sehender Mann das einer blinden Frau antun?“.
Da war ich schockiert. Auch wenn ich da schon lange Erzieherin war und eigentlich wusste, dass ich das kann, haben mich diese Reaktionen verunsichert.
Ich konnte mir nicht vorstellen, das Leben in meinem Bauch wegmachen zu lassen, nur weil andere denken, dass ich es nicht kann. Zum Glück haben mein Mann und auch meine Eltern und Geschwister mir Unterstützung zugesichert.
Und dann habe ich mit anderen blinden Menschen gesprochen, die schon Kinder hatten. Und die haben gesagt: Also Silja, wenn wir das hinbekommen, dann wirst du das doch auch schaffen. Naja, und dann habe ich gedacht: Ja, irgendwie haben sie auch Recht.
Ich würde es sehr gut finden, wenn die Ämter etwas informierter wären. Häufig kennen die Sachbearbeiter*innen nicht einmal die Angebote, die es bereits gibt. […] Weil die das gar nicht gewohnt sind, dass da behinderte Menschen hinkommen. [Quelle: GID 266]
Reproduktive Gerechtigkeit:
In der Debatte um Reproduktive Gerechtigkeit geht es um soziale Gerechtigkeit, denn das individuelle Recht allein reicht oft nicht aus, um allen Menschen den Zugang zu Selbstbestimmung zu ermöglichen. Mehr dazu in der Broschüre „Reproduktive Gerechtigkeit. Eine Einführung.“ der AG Reproduktive Gerechtigkeit.
Elternassistenz:
In Deutschland ist das Recht auf Elternassistenz seit 2018 explizit im Bundesteilhabegesetz festgeschrieben und Teil des Leistungsspektrums der Eingliederungshilfe nach SGB IX. Mehr über „verzahnte Hilfen“, „Einfache Elternassistenz“, „Qualifizierte Elternassistenz“ und die Kritik von Verbänden findet Ihr im „GID 266“, S. 17-19.
Ausstellungs-Poster als barrierearmes PDF:
https://nonipt.de/wp-content/uploads/2024/11/Mit-zweierlei-Mass_Reproduktive-Selbstbestimmung.pdf