Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Thema im Studium, bin ich ganz klar gegen die Kassenzulassung des Tests. Wir sollten nicht die Hersteller-Firmen unterstützen, sondern die Unterstützungs- und Entlastungsangebote für Familien verbessern.
Mein Name ist Marie, ich bin Studentin der Sozialen Arbeit und neben meinem Studium begleite ich ein Kind mit Down Syndrom in der Schule.
In Studium und im Beruf bin ich schon häufig in Kontakt mit fehlendem Verständnis für Behinderung getreten. Ausschlaggebend für meine kritische Haltung gegenüber der Pränataldiagnostik war in erster Linie ein Seminar an der Uni. Dieses Seminar befasste sich mit der Frage nach Lebenswert und Selbstbestimmung. Lebenswert und Selbstbestimmung in Bezug auf viele aktuelle Themen die in der Debatte stehen – wie auch die Pränataldiagnostik.
Ich bin sehr froh, mich näher mit diesem Thema auseinandergesetzt zu haben. Bei der Erarbeitung des Themas habe ich gemerkt, was für eine Bandbreite an Informationen und Argumenten es gibt – dafür und dagegen. Kein Wunder, dass viele Menschen sich in erster Linie lieber NICHT damit beschäftigen, um so einer Überforderung aus dem Weg zu gehen. Es kam mir sehr zugute, dass ich mich durch das Seminar sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzen konnte. So konnte ich ziemlich gut abwägen, wie ich mich positionieren möchte.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema rate ich allen Menschen mit Kinderwunsch, die früher oder später in die Konfliktsituation geraten werden, sich zu entscheiden. Denn im Beratungsgespräch mit Ärzten kommt es dann zur Überforderung, wenn es heißt, uninformiert eine Wahl zu treffen. Was die wenigsten wissen: Ärzte wollen sich auch absichern, denn sie können für eine fehlerhafte genetische Beratung verantwortlich gemacht werden (Arzthaftungsrecht). Stellt sich die Frage, wie objektiv die Beratung der Ärzt*innen dann tatsächlich ist.
Die Beratungsgespräche sollten nicht nur auf psychische, soziale oder medizinische Fragen fokussiert sein. Auch moralische und menschliche Probleme müssen angesprochen werden. Nicht jede Schwangere ist dafür gemacht, eine Abtreibung vorzunehmen und daher muss sie wissen, was es heißt, ein Kind abzutreiben.
Auch gesellschaftlicher Druck von außen spielt eine Rolle. Häufig wird eine Rechtfertigung dafür verlangt wird, wieso man sich FÜR ein Kind mit Behinderung entschieden hat. Immer wieder kommt es zu Schuldzuweisungen wie beispielsweise „Das muss doch heute nicht mehr sein!“. Wir müssen deutlich machen, dass das Leben mit einem Kind mit Behinderung sehr bereichernd ist und es viele Möglichkeiten gibt, Unterstützung zu bekommen.
Wir sollten viel mehr über das Thema diskutieren und unsere Mitmenschen klar machen, was sich hinter all dem verbirgt. Also redet mit euren Freunden, Bekannten, Arbeitskolleg usw. Vielleicht schaffen wir so ein Bewusstsein für ALLE.
Sehr interessant fand ich, dass die Hersteller von Pränatal-Tests mit öffentlichen Mitteln gefördert werden und unglaublich hohe Summen beziehen. Welches Ziel haben die Firmen? Geht es Ihnen um das Wohl der Menschheit? Oder steht der ökonomische Nutzen im Fokus? Durch den Druck der Gesellschaft könnten wir erreichen, dass z.B. nicht mehr mit öffentlichen Geldern geforscht werden kann.
Letztlich müssen wir uns auch klar machen, dass die Verantwortung von der Politik auf die individuelle Ebene verschoben wird – denn die Endnutzerin, also die Schwangere, muss entscheiden und am Ende mit der Entscheidung leben.
Ich bin ganz klar gegen die Kassenfinanzierung der Pränataldiagnostik und denke, dass es stattdessen ein anderes Gesellschaftliches Bild von Menschen mit Behinderung braucht. Wir sollten nicht die Firmen, die klar den Fokus auf den wirtschaftlichen Nutzen legen, unterstützen, sondern die Unterstützungs- und Entlastungsangebote für Familien verbessern. Meine Arbeit in der Schule zeigt mir immer wieder, wie bereichernd und inspirierend Menschen mit Behinderung sind. Wir müssen uns klar darüber werden, dass auch das Leben von Menschen mit Behinderung einen hohen Lebenswert hat. Wir sollten werdende Eltern selbstbestimmt entscheiden lassen. Selbstbestimmt, also ohne Druck von Ärzten, Krankenkassen oder der Gesellschaft.
Marie Battige ist Studentin der Sozialen Arbeit und begleitet neben dem Studium ein Kind mit Down-Syndrom in der Schule. Sie hat in ihrem Studium eine Arbeit zum Thema „Pränataldiagnostik – Welche Auswirkungen auf Frauen/Eltern und Menschen mit Behinderung sind mit dem Angebot verbunden? “ geschrieben.