Ob wir Schwangerschaften austragen und Kinder gebären, ist schon lange nicht mehr Gottes Wille oder staatlich auferlegte Pflicht.
Frauen haben das Recht, über ihren Körper und ihr Leben selbst zu bestimmen. Sie haben das Recht, eine ungewollte Schwangerschaft nicht auszutragen. Sie haben dazu auch das Recht, wenn aus dem gewollten Kind durch eine Behinderung ein ungewolltes Kind geworden ist.
Bei der Entscheidung für eine Kassenfinanzierung geht es nicht um die individuelle Entscheidung und es geht schon gar nicht um einen irgendwie gearteten Zwang, ein Kind mit Behinderung auszutragen.
Kinder mit Behinderung binden ihre Eltern länger und diese Elternschaft ist deutlich anstrengender als bei einem nicht behinderten Kind. Ein wesentlicher Faktor dafür ist die stetige Reibung an einer Gesellschaft, die Menschen mit Behinderung ausgrenzt, und in gewissem Maße deren Angehörige gleich mit. Haben wir uns nicht zum Ziel gesetzt, dies zu ändern?
Es ist – auch vor diesem Hintergrund – ein grundlegender Unterschied, ob eine Gesellschaft individuelle Entscheidungen respektiert, oder ob sie die Abtreibung von Embryonen mit Trisomie auch noch fördert, indem sie die Diagnostik gratis und bezahlt von der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten zur Verfügung stellt. Es werden die Frauen sein, die den steigenden Erwartungsdruck aushalten müssen, gefälligst ein nicht behindertes Kind zu gebären.
Es gibt kein Recht auf ein perfektes Kind. Und so lange Kinder auf natürlichem Wege gezeugt und ausgetragen werden, kann kein Staat der Welt dies ändern. Die gesellschaftliche Angst vor dem Kind mit der Trisomie 21, das uns als Symbol von Behinderung erscheint, ist irreführend. Die meisten Behinderungen bei Kindern entstehen während und nach der Geburt. Dagegen schützt kein Bluttest und keine Eugenik.
Das Einzige, das wir mit der bevorstehenden Entscheidung für eine Kassenfinanzierung des Bluttests auf Trisomien erreichen, ist: Wir sägen weiter an der Fähigkeit unserer Gesellschaft, Anders-Sein zu akzeptieren und menschliche Vielfalt zu schätzen.
Eva-Maria Thoms ist Vorsitzende des mittendrin e.V. und Mutter einer Tochter mit Trisomie 21.
Link-Tipp von #NoNIPT:
https://www.mittendrin-koeln.de/aktuell/detail/bluttest-seid-mal-ehrlich (vollständiger Blog-Beitrag)