Der NIPT garantiert nicht die Erfüllung des Wunsches nach DEM perfekten und gesunden Kind! Dass sich werdende Eltern um die Gesundheit ihres Nachwuchses sorgen und kümmern, ist verständlich. Doch die Testung suggeriert den Eltern, durch die Inanspruchnahme alles richtig zu machen.
In der Facharzt- und Hebammenausbildung wird nicht gelehrt, wie man mit Behinderung aller Art umgeht. Es verlangt eine gehörige Portion Empathie und Wissen, das man sich selbst aneignen muss, sofern man es will. Eine gute Beratung ist für Eltern wegweisend!
Oft wird durch Mediziner*innen aus Hilflosigkeit und Nichtwissen gar nicht oder völlig unzureichend „beraten“. Das führt wiederum zu tiefgreifenden Entscheidungen der werdenden Eltern, die nicht umkehrbar sind. Das Recht auf eine gute Beratung muss im Gesetz verankert werden!
Eltern von behinderten Kindern bekommen mit einer Diagnose leider keine Gebrauchsanweisung für das Kind, wo man mal nachlesen könnte, wie „behindertes Kind geht“. Gynäkologische Praxen, Hebammen und Schwangerschaftsberatungsstellen können das im vollen Umfang gar nicht vermitteln. Deshalb ist die Peer-Beratung (Hilfe von Menschen für Menschen in der gleichen Situation) so wichtig. Der Zugang ist jedoch oft unbekannt und das Angebot nicht flächendeckend. Eine verbesserte Netzwerkarbeit zur Vermittlung von Peer-Beratungen könnte da leicht und unkompliziert unterstützen.
Aufklärung ist die Basis! Nicht alle Schwangeren haben Erfahrung mit Menschen mit Behinderung, oft auch keinerlei Berührungspunkte. Wenn etwas anders ist, als gewünscht oder geplant, braucht es Unterstützung und Aufklärung, Empathie und viel Zeit für Begleitung. Der NIPT selektiert nur Kinder mit Trisomien, aber nicht mit den tausenden anderen Möglichkeiten von genetischen Veränderungen, Mutationen oder chronischen Erkrankungen. Es ist ein Alibitest in der Hoffnung auf ein gesundes Kind.
Der NIPT ist ethisch sehr zweifelhaft! Welche genetische Abweichung wird als nächstes bezahlt getestet? Die Freiheit der Entscheidung des bewussten Nicht-Wissen-Wollens der werdenden Eltern wird auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Gute Aufklärungsarbeit kann hier wegweisend sein. Deshalb sollten mehr psycho-soziale Beratungsstellen geschaffen und finanziell gut ausgestattet werden. Die Krankenkassen, Behörden und Eltern, sowie Kliniken und gynäkologische Praxen könnten alle davon profitieren.
Peer-Berater*innen beraten ehrenamtlich, unentgeltlich. Es fehlt an Wertschätzung für ihre Arbeit, an Unterstützung und Möglichkeiten der Vernetzung, Fortbildung und Supervision. Es wäre wünschenswert, wenn Ärzt*innen, Hebammen und Schwangerschaftsberaterinnen auf die Expertise der Peer-Berater*innen zurückgreifen würden und der Wunsch nach Vernetzung nicht eine von den Peer-Berater*innen betriebene Einbahnstraße bliebe.
Aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung als Peer-Beraterin kann ich berichten, dass Vorurteile, Nichtwissen und Ängste zu Entscheidungen führen können, die tiefe Spuren hinterlassen. Mitzuerleben, welche Erleichterung und gute Perspektiven in den Familien durch eine umfangreiche Begleitung und Beratung entstehen, macht ganz viel Hoffnung und ist eine große Motivation für mich und ein großes Glück für die Familien.
Christina Schumann ist Mutter von 2 behinderten Kindern mit unterschiedlichen genetischen Veränderungen. Sie berät seit vielen Jahren ehrenamtlich Eltern, u.a. in genau diesen Situationen.