Uns fällt auf: Eltern behinderter Kinder müssen für das Recht ihrer Kinder auf Inklusion kämpfen. Menschen ohne Behinderung / Vertreter*innen staatlicher Institutionen versuchen sie in Richtung Exklusion zu drängen.
Anke, Mutter von zwei Kindern: Förderschule? Für uns kein Rund-um-sorglos-Paket!
Die Bedingungen an der Regelschule waren schlecht und haben sich sogar noch immer weiter verschlechtert. Irgendwann wollten wir unserer Tochter eine Beschulung an dieser Schule nicht mehr zumuten.
Man hat uns bei der Suche nach einer geeigneteren Schule jedoch nicht unterstützt und so blieb nur die Förderschule als Notlösung.
Ich habe noch immer das Gefühl, versagt zu haben. Schuldgefühle inklusive, aber meine Kraft für etwas zu kämpfen, das außer mir niemand wollte, war erschöpft. Das Thema Schule bestimmte meinen gesamten Alltag und belastete unsere Familie sehr.
Unsere Tochter verlässt 2026 die Schule. Bis jetzt hat sie noch nie einen Zukunftstag mitgemacht, das im letzten Jahr geplante einwöchige Praktikum in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) fiel aus.
In Kürze findet ihre Berufswegekonferenz statt. Die WfbM kennt sie bislang nur durch einen eintägigen Besuch. Praktika außerhalb der WfbM muss ich selbst für sie organisieren. Bislang habe ich nur sehr verhaltene oder ablehnende Antworten bekommen.
Wir scheinen im System gefangen zu sein und es erfordert wieder viel Kraft, zu versuchen dem zu entrinnen. Kraft, von der ich noch nicht weiß, ob sie reichen wird.
Ja, die Förderschule mag ein Rund-um-sorglos-Paket sein, wenn man nichts erreichen möchte und alles ungefragt hinnimmt. Für uns ist sie es jedenfalls nicht.
Kim, Mutter von zwei Kindern: Für Inklusion brauchen Eltern ein sehr dickes Fell!
Unser Sohn hat Trisomie 21. Er profitiert von inklusiver Bildung. Davon sind wir als Eltern fest überzeugt. Wir setzen diesen Weg durch, gegen alle Widerstände. Auch wenn mein Mutterherz oft blutet oder ich eine Faust in der Tasche machen muss, um freundlich und sachlich zu bleiben.
Bei der Anmeldung an der Grundschule murmelte die Sonderpädagogin (!) etwas von Kindeswohlgefährdung.
Bei der Anmeldung an der Gesamtschule sagte der Sonderpädagoge (!) im Beisein unseres Kindes: „So etwas hatten wir hier noch nicht!“ Und: „Wir können ihn nicht vor Mobbing schützen. Das muss Ihnen klar sein.“ Wir haben unseren Sohn trotzdem angemeldet.
Ich bin es so leid. Wir Mütter stellen uns doch auch nicht hin und sagen „Das können wir nicht leisten!“… Oder doch? Stichwort NIPT?
Ich bin es leid, dass mein Sohn ohne Schulbegleitung nicht mit zum Schwimmen darf, weil er unter der Dusche umfallen könnte (?!?), nicht mit in den Gottesdienst darf, weil ihn auf dem Weg dorthin dann niemand an die Hand nehmen könnte (?!?), er nicht in die Offene Ganztagsbetreuung darf, da er Kinder einmal beim Essen durch den Ausruf „Kaka!“ „gefährdet“ hat und Arm in Arm mit einer Klassenkameradin unterm Kicker saß (Warum denn nicht, zur Hölle? Wenn es einvernehmlich ist?). Mein Mutterherz blutet, wenn er an solchen Tagen weinend vor mir auf der Couch sitzt und sagt: „Mama. Das ist unfair!“
Zum Glück überwiegen die guten Inklusions-Momente. Sie sind den Kampf wert.
Ute Berger, mittendrin e.V.:
Eltern entscheiden sich häufig für Förderschulen, weil es insgesamt viel zu wenige wohnortnahe inklusive Schulplätze gibt. Oder die Rahmenbedingungen an wohnortnahen inklusiven Schulen aktuell zu schlecht sind (Schülerbeförderung, Therapien, Ganztagsbetreuung). Weil es an Regelschulen häufig zu wenig Kompetenz für inklusive Bildung gibt, was bei Lehrkräften zu Überforderung und mangelnder Bereitschaft, inklusiv zu arbeiten, führt. Aufgrund dieser Ungleichheiten ist es zynisch, vom Elternwahlrecht zu sprechen und den Erhalt und Ausbau des Förderschulsystems mit den Anmeldezahlen zu rechtfertigen.
Ausstellungs-Poster als barrierearmes PDF:
https://nonipt.de/wp-content/uploads/2024/11/Mit-zweierlei-Mass_Exklusion-Inklusion-und-Elternwille.pdf