Am 19. September 2019 hat der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) beschlossen, dass der nichtinvasive Pränataltest (NIPT) auf die Trisomien 13, 18 und 21 demnächst von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird.
Der G-BA steht in diesen Tagen vor dem letzten Schritt im Verfahren zur Kassenzulassung des NIPT. Eine Versicherteninformation zum NIPT und zum Leben mit einem Kind mit Trisomie soll werdenden Eltern als Entscheidungshilfe dienen und die ärztliche Beratung zu Pränataldiagnostik unterstützen. Dafür soll die Versicherteninformation Anlage der „Mutterschafts-Richtlinien“ (Mu-RL) werden. Dieser Beschluss wird für Sommer 2021 erwartet.
Mit der Kassenzulassung des NIPT werden Fakten für eine breite vorgeburtliche Selektion von werdenden Kindern mit Behinderung geschaffen, ohne dass der Bundestag dies politisch diskutiert und entschieden hat.
Wir fordern daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestag auf:
Ducken Sie sich nicht länger weg!Unter welchen Voraussetzungen in Deutschland vorgeburtliche Untersuchungen auf Behinderungen stattfinden sollen, ist eine politische Frage – über die muss im Bundestag diskutiert und entschieden werden. Das Parlament darf sich bei diesem wichtigen Thema nicht länger wegducken. Die Frage wird immer drängender: Neben dem NIPT auf Trisomien werden weitere umstrittene pränatale Tests, z.B. auf Mukoviszidose oder auf geschlechtschromosomale Varianten, bereits als Selbstzahler*innenleistungen angeboten. Viele andere Tests auf spätmanifestierende Erkrankungen, Anlageträger*innenschaften sowie auf Krankheitsdispositionen für z.B. Diabetes oder Brustkrebs sind in Erprobung und werden auf den Markt drängen.
Wir fordern das Parlament auf, hier gesetzgeberisch tätig zu werden, und dafür zu sorgen, dass vorgeburtliche genetische Suchtests nicht in die „Mutterschafts-Richtlinien“ des G-BA aufgenommen werden. Denn diese haben ein hohes selektives Potenzial. Das ist nicht vereinbar mit Artikel 3 des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention, denen nach kein Mensch aufgrund seiner Behinderung diskriminiert werden darf.
Wir fordern eine Rückkehr der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu ihrer eigentlichen Aufgabe gem. §1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V):
„Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.“
§1 SGB V
Es muss unterschieden werden zwischen medizinisch sinnvoller Pränataldiagnostik und genetischen Tests, die ausschließlich das Ziel haben festzustellen, ob das werdende Kind eine bestimmte Chromosomenbesonderheit hat oder nicht. Untersuchungen zur Kontrolle und Verbesserung der fetalen Entwicklung und Gesundheit erfüllen die Kriterien des SGB V. Wenn z.B. per Ultraschall ein Herzfehler beim Fötus erkannt wird, kann dieser bei der Geburtsplanung berücksichtigt und nach der Geburt behandelt werden. Bei einem auffälligen Ergebnis eines genetische Suchtests hingegen gibt es keinerlei therapeutische Handlungsoptionen.
Wir fordern den Gesetzgeber auf, den unhaltbaren Werbeversprechen der Anbieter zu ihren Tests Einhalt zu gebieten, mit denen sie werdenden Eltern „Gewissheit“, „Sicherheit“ oder gar direkt ein „gesundes Baby“ versprechen. Denn hierbei handelt es sich um gravierende Fälle von Irreführung und Täuschung von Verbraucher*innen.